Fortgeschrittenes Alter und Kinderwunsch

«Wir sind ein Paar und die Ehefrau/Partnerin ist bereits 39 Jahre oder älter. Wir sehnen uns sehr nach einem Kind und wissen, dass die Fruchtbarkeit bei der Frau mit zunehmendem Alter abnimmt. Wir möchten daher keine Zeit verlieren und auch keine unnötigen Risiken eingehen.»

Da mit zunehmendem Alter der Frau die Fruchtbarkeit abnimmt, ist es besonders wichtig, bei diesen Patientinnen einen individuellen Behandlungsansatz zu wählen, der viel Wert auf eine optimale Qualität der Eizellen legt. Hierzu gehören massgeschneiderte und patientenfreundliche Stimulationsprotokolle und das Vermeiden von zeitlichen Verzögerungen.

Mit zunehmendem Alter nimmt die Fruchtbarkeit der Frau ab. Das liegt vor Allem an drei verschiedenen Phänomenen, die jeweils zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt beginnen, sich jedoch im Laufe der Zeit immer stärker auf die Fruchtbarkeit der Frau auswirken. 

Die Chromosomen sind die Strukturen in den Zellen, die den Grossteil unserer Erbinformationen enthalten. Jede Zelle des menschlichen Körpers besitzt einen doppelten Chromosomensatz. Einen haben wir einmal von unserer Mutter geerbt, der andere stammt von unserem Vater. Um richtig funktionieren zu können, müssen unsere Keimzellen, das heisst die Eizellen der Frau und die Samenzellen des Mannes einen einfachen Chromosomensatz haben. Diese werden bei der Verschmelzung von Eizelle und Samenzelle neu gemischt und so entsteht ein neues Individuum. Bei der Frau haben die unreifen Eizellen in den Eierstöcken noch einen doppelten Chromosomensatz. Erst kurz vor dem Eisprung werden die Chromosomen in der Eizelle aufgeteilt, um einen einfachen Chromosomensatz zu bekommen. Diese Aufteilung der Chromosomen vom doppelten zum einfachen Chromosomensatz in den Eizellen ist ein komplizierter Prozess, der sehr anfällig für Störungen sein kann. Da die Eizellen das ganze Leben einer Frau in den Eierstöcken liegen und dort diversen Umwelteinflüssen wie Strahlung oder freien Radikalen ausgesetzt sind, steigt mit zunehmenden Alter das Risiko, dass einige Chromosomen bei der Aufteilung aneinander kleben bleiben und dass am Ende zu viele oder zu wenige Chromosomen in der reifen Eizelle verbleiben. Wenn so eine Eizelle befruchtet wird, stirbt der daraus entstehende Embryo entweder frühzeitig ab, oder es kommt zu einer Fehlgeburt. Selten wird ein lebensfähiges Kind mit einer Chromosomenfehlverteilung geboren, dann meist mit einer Trisomie 21 (Down-Syndrom). Frauen mit 37 Jahren müssen aufgrund dieses Phänomens mit einer Fehlgeburtsrate von ca. 30 % pro eingetretener Schwangerschaft rechnen, Frauen mit Anfang Vierzig bereits mit 50 % und mehr. Bei einer künstlichen Befruchtung besteht die Möglichkeit die Eizellen oder die Embryonen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter genetisch zu untersuchen und so nur die gesunden auszuwählen. Dadurch kann das Fehlgeburtsrisiko auch bei älteren Frauen gesenkt werden.

Jede Frau wird mit einer bestimmten Anzahl von Eizellen geboren, welche sich in den Eierstöcken befinden. Mit dem Einsetzen der Pubertät geht jeden Monat eine gewisse Anzahl von Eizellen verloren, auch wenn normalerweise pro Zyklus nur eine Eizelle zur Reife gelangt. Im Gegensatz zu Männern, bei denen die Samenzellen aus Stammzellen das ganze Leben lang neu gebildet werden, kann sich die Eierstockreserve bei Frauen nicht regenerieren. Irgendwann sind alle Eizellen aufgebraucht und die Menstruationszyklen hören auf. Dieser Zustand wird Menopause genannt. Normalerweise kommt eine gesunde Frau mit 50 bis 55 Jahren in die Menopause. Eine reduzierte Eizellreserve kann sich jedoch schon etwa zehn Jahre vorher, also mit Ende Dreissig, Anfang Vierzig bemerkbar machen. Die Menstruationszyklen werden kürzer und unregelmässiger. Auch die Blutungsdauer und Intensität vermindert sich. Es tritt eine Reihe von hormonellen Veränderungen ein, welche eine spontane Schwangerschaft, aber auch eine Kinderwunschbehandlung schwierig machen können. Das Hauptproblem besteht vor allem darin dass die Eierstöcke selbst bei einer starken Stimulationsbehandlung mit Hormonen nicht mehr richtig reagieren können. Das Team vom FIORE hat in Zusammenarbeit mit der New Hope Fertility Clinic in New York vier verschiedene Stadien der reduzierten Eizellreserve definiert, die alle einen unterschiedlichen Behandlungsansatz erforderlich machen. Damit wird es möglich selbst bei Frauen mit stark reduzierter Eizellreserve noch gute Behandlungsergebnisse zu erzielen.

Mitochondrien sind kleine Strukturen, die in jeder menschlichen Zelle vorkommen. Eine Ihrer Hauptaufgaben ist die Versorgung der Zellen mit Energie, deswegen werden sie auch oft als „Energiekraftwerke“ der Zelle bezeichnet. Normalerweise haben Mitochondrien die Fähigkeit sich zu regenerieren, meistens dann, wenn die Zelle sich teilt. Da die Eizellen der Frau jedoch das ganze Leben lang in den Eierstöcken liegen und sich nicht teilen, lässt die Funktion der Mitochondrien hier mit der Zeit nach. Ab einem gewissen Alter, meist Anfang bis Mitte Vierzig, sind die Mitochondrien vieler Eizellen so schwach, dass die Energie für die Zellteilung nach der Befruchtung nicht mehr ausreicht und sich die Embryonen gar nicht mehr oder nur noch verlangsamt entwickeln. Eine verlangsamte Embryonalentwicklung kann jedoch zu Einnistungsstörungen führen. Die Gebärmutterschleimhaut kann ein Embryo nämlich nur während einem kleinen Zeitfenster von einigen Stunden aufnehmen. Dieses Einnistungsfenster ist normalerweise 5 - 6 Tage nach dem Eisprung (oder der Eizellentnahme für die künstliche Befruchtung) geöffnet. Gesunde Embryonen sind genau zu diesem Zeitpunkt bereit sich einzupflanzen. Wenn jetzt aber als Folge der schwachen Mitochondrien die Embryonalentwicklung auch nur für einige Stunden verzögert ist, können sich die Embryonen nicht mehr einnisten, weil das Einnistungsfenster bereits geschlossen ist. Dieses Phänomen ist der Hauptgrund dafür, dass eine natürliche Schwangerschaft nach dem 43. Lebensjahr ein seltenes Ereignis ist und auch die künstliche Befruchtung ab diesem Alter meist nicht mehr funktioniert, selbst wenn die Eizellreserve noch normal sein sollte. Es ist jedoch möglich befruchtete Eizellen oder Embryonen nach einer künstlichen Befruchtung einzufrieren und in einem nächsten Zyklus genau dann zurück zu geben, wenn das Einnistungsfenster geöffnet ist. Auf diese Weise sind in Einzelfällen Schwangerschaften und Lebendgeburten mit den eigenen Eizellen bis zu einem Alter von bis zu 49 Jahren möglich.